Vorworte zum Praxishandbuch Legal Operations Management

Vorwort 1: Christian Dueblin

Herausgeber Praxishandbuch Legal Operations Management

 

Ein Buchprojekt wie das vorliegende anzugehen, ist eine Herausforderung, die wir als Herausgeber gerne angenommen haben. Mit der Herausgabe dieses Werkes ist eine mehrjährige Arbeit abgeschlossen, die sehr intensiv, aber auch enorm interessant und lehrreich war. Ich möchte mich deshalb an dieser Stelle bei Roman P. Falta für seine Initiative, dieses Projekt in Angriff zu nehmen, bedanken. Er hat mit seinem profunden beruflichen Wissen als versierter Jurist und Unternehmensberater zum Thema Legal Operations Management wesentlich zum Gelingen dieses Buchprojektes beigetragen.

Das Buchprojekt war zudem nur möglich, weil viele Fachexperten rund um Legal Operations Management und dessen Schnittstellen dafür zu begeistern waren. Die Zusammenarbeit mit den am Buch beteiligten Personen war in verschiedener Hinsicht sehr bereichernd. Mein Dank gilt deshalb insbesondere auch den vielen Autorinnen und Autoren, die sich bereit erklärt haben, ihre persönlichen Erfahrungen in das Buch einzubringen, sowie den Interviewpartnern, die sich die Zeit genommen haben, Fragen zum Thema Legal Operations Management kritisch zu beantworten.

Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Heinz Riesenhuber, der in seinem Vorwort auf wichtige Zusammenhänge rund um das Thema Recht hinweist. Sein Erfahrungsschatz, nicht nur als Politiker, sondern auch als Aufsichtsrat, Wissenschaftler und international unternehmerisch denkende Persönlichkeit, ist sehr wertvoll. Sein Vorwort ist ein Appell an die Mitarbeitenden von Rechtsabteilungen, vernetzt zu denken. Gerade der General Counsel muss sich nicht nur mit rechtlichen Fragen, sondern auch mit wirtschaftlichen Zusammenhängen auseinandersetzen, um zusammen mit seinen Mitarbeitenden für das Unternehmen bestmögliche Resultate erzielen zu können.

Ferner möchte ich mich bei Dr. Hans Bollmann bedanken, Autor des Buches „Es kommt drauf an!“ und profunder Kenner des anwaltlichen Berufsstandes. Ich habe ihn als Sparring Partner erlebt, der wichtige Inputs geben konnte.

Mein persönlicher Dank gilt auch dem 2012 verstorbenen Robert A. Jeker, der diesem Buch gegenüber von Anfang an sehr positiv eingestellt war. Er war mir großer Motivator, dieses Projekt anzugehen.

Dank gebührt schließlich auch Lisbeth Schellenberg, die sich freundlicherweise bereit erklärt hat, das Buch zu korrigieren. Als Juristin war sie dazu geradezu prädestiniert.

Zum Schluss möchte ich allen weiteren Personen danken, die offiziell und inoffiziell zu diesem Buch beigetragen haben, ganz besonders auch meiner Frau, Aglaja Dueblin, die das Projekt mit großer Aufmerksamkeit und steter Hilfsbereitschaft als kritische Gesprächspartnerin begleitet hat.

Mit den Beiträgen der Autorinnen und Autoren, den Aussagen der Interviewpartner sowie mit unseren eigenen Beiträgen rund um das Thema Legal Operations Management beleuchten wir einige für Rechtsabteilungen relevante Themen und zeigen Schnittstellen zu andern Bereichen auf.

 

 

Vorwort 2: Prof. Dr. Heinz Riesenhuber MdB

Bundesforschungsminister a.D.

 

  1. Legal Operations Management – die Herausgeber lassen in ihrer Weisheit Autoren aus unterschiedlichen Erfahrungsbereichen sprechen und ihr Adressat ist in erster Linie der General Counsel, aber auch alle anderen Mitarbeitenden sowie ihre Vorgesetzten von Unternehmen, auch Behörden, die sich im Geschäftsalltag mit rechtlichen Fragen beschäftigen müssen. Sie alle stehen in der Mitte zwischen zwei Welten:
  • der Welt des Unternehmers, der glücklich wäre, eine Vereinbarung per Handschlag zu besiegeln;
  • und der Welt des Gesetzgebers und der Richter, die um Hilfe gerufen werden, wenn sich zeigt, dass es nicht nur ehrbare Menschen und Kaufleute gibt.

Eine Welt der ehrbaren Kaufleute wäre wohl eine Welt ohne General Counsels und andere Fachspezialisten.

  1. Es wird unter anderem berichtet, dass in Japan über lange Zeit Verträge einfach waren. Man habe vertraut und Vertrauen ist eine gewaltige Ressource. Da konnte ein schlauer Kaufmann seinen Streitfall vor Gericht gewinnen. Aber mit einem so schlauen Kaufmann macht man keine Geschäfte mehr, und so blieb das System stabil; so sagt man. Doch heute muss der ehrbare Kaufmann damit rechnen, dass sein Partner nur ein schlauer Kaufmann ist. Darum wird die Welt weitgehend durch das Recht und Richter geordnet, von denen man sich Gerechtigkeit erhofft.

 

  1. Zwei Rechtskulturen konkurrieren, die die Gewichte unterschiedlich setzen zwischen Legislative und Jurisdiktion:
  • Das kontintentaleuropäische Recht vertraut vor allem auf die festgeschriebenen, kodifizierten Normen, seit dem Code Napoleon und dem Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch. Das macht den Umgang mit Verträgen einfacher, weil der Raum für das Ermessen der Richter enger wird. Aber die Weiterentwicklung des Rechts ist langsam, denn der Gesetzgeber arbeitet nicht schnell, und er darf das auch nicht, wenn das Gesetz verlässlich sein soll.
  • Dem gegenüber steht das anglo-amerikanische common law, das überwiegend von Richtern, nicht aber vom Gesetzgeber gestaltet wird, eine große Herausforderung des Legal Managements in unseren Breitengraden. Seine Stärke ist die Dynamik in der Reaktion auf neue Aufgaben. Aber Verträge können sehr umfangreich sein, denn sie schließen oft kunstvoll die denkbaren Eventualitäten aus oder ein, weil sie in sich stehen müssen. Ein fruchtbares Feld für Anwälte und ihre Unternehmen. In Amerika haben die Anwälte einen gewaltigen Wirtschaftssektor aufgebaut.

 

  1. Schon die Festschreibung des Willens der Vertragspartner kann von herausfordernder Komplexität sein. Eingefügt muss er werden in die Rahmenbedingungen, die der Staat setzt, aus durchaus unterschiedlichen Gründen:
  • Gesetze schützen das gemeinsame Gut Umwelt vor der Ausbeutung. Das alte Problem der Allmende hat sich zu sehr hoher Komplexität entwickelt.
  • Das Steuerrecht etwa sichert die Finanzierung des Staates, und es wird umso komplizierter, je listiger tüchtige Juristen nach Lücken forschen.
  • Gesetze bestimmen die Unternehmensverfassung, die Transparenz der Bilanzen, die sozialen Standards, die Bedingungen der Tarifpartnerschaft und vieles mehr.

 

  1. Dies alles überschaut der General Counsel, und an der Grenze des Justiziablen hat er im Blick, was den guten Namen des Unternehmens ausmacht: Die Corporate Social Responsibility, die Chancen für Frauen, für Minderheiten, für Behinderte, die Corporate Governance und die entsprechende Compliance. Dies alles zu begreifen, und im Sinne seines Unternehmens zu handeln, das ist die Herausforderung an den General Counsel und andere Fachspezialisten. Dazu gehört ein tiefes Verständnis für das Geschäftsmodel seines Unternehmens, für die Firmenkultur und die Arbeitskultur, die er mitzuentwickeln hat.

 

  1. Das vorliegende Buch zeigt in vielfältigen Facetten die Herausforderung,
    – dass der Legal Counsel den Raum der unternehmerischen Entscheidung weit offen hält, das ist ebenso essentiell wie seine Härte, wenn Grenzen überschritten werden könnten.
    – In besonderer Weise ist er der Hüter des guten Namens des Unternehmens. Der gute Name: Das ist wirtschaftlicher Erfolg. Aber das ist auch der Friede mit den Mitarbeitenden und mit den Aktionären. Das ist die Vermeidung von Streit. Aber wenn er streitet, dann muss der General Counsel gewinnen. Er ist Partner des Unternehmens bei einem großen Ziel: Dass das Unternehmen geachtet wird als good corporate citizen, soweit sein Name reicht.

 

  1. Schließlich ist in unserer Rechtskultur der General Counsel Partner für die, die das Recht weiterentwickeln. Die Parlamente bedürfen der Rückkoppelung in die Wirklichkeit der Wirtschaft, wenn sie eine angemessene gesetzliche Gegenwelt entwickeln wollen. Dabei vertritt das Unternehmen seine Interessen, und anderes erwartet auch niemand. Aber entscheidend ist, das Ganze im Blick zu behalten – entscheidend für die sinnvolle Weiterentwicklung des Rechts, aber ebenso entscheidend für die Relevanz und den Erfolg vernünftiger Lobbyarbeit.
    Das Ganze im Blick zu behalten, fair und vernünftig zu argumentieren, das ist die Voraussetzung für eine Weiterentwicklung des Rechts unter den Bedingungen immer neuer technischer, sozialer und wirtschaftlicher Herausforderungen – ohne dass die Gesetze undurchschaubar werden dürfen und die Bürokratie so wächst, dass unternehmerische Freiheit schwindet und die Zukunft eng wird.

 

Daran zu arbeiten haben wir alle, die wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen in Wirtschaft, in Recht und in Politik.

 

 

Vorwort 3: Dr. Peter Kurer

ehem. General Counsel und Verwaltungsratspräsident der UBS, Autor von Legal and Compliance Risk ([2015] Oxford University Press)

 

Rechtsrisiken stellen für global tätige Unternehmen zunehmend eine zentrale Bedrohung dar. Befragt man die Chefs von großen Firmen, was für sie die größten Quellen von unternehmerischen Unsicherheiten sind, erwähnen sie regelmäßig Rechts-, Compliance- und regulatorische Risiken. Gemäß vielen empirischen Erhebungen werden diese heute oftmals als gefährlicher eingestuft als die traditionellen unternehmerischen Gefahrenquellen wie die wirtschaftliche Situation, Technologien oder Umweltgefahren. Befragt man die gleichen Unternehmensführer, ob sie diese Risiken verständen und im Griff hätten, bewegen sich die bejahenden Antworten im Bereich von mageren 25 Prozent.

Mithin haben wir es mit einem Paradox zu tun: Globale Unternehmensführer sehen allenthalben rechtliche Risiken lauern, aber sie haben keine geeignete Antwort darauf, wie man diese in den Griff bekommt. Dies ist nicht weiter erstaunlich. Rechts- und Compliancerisiken sind Kinder der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung und haben sehr viel mit den Fährnissen einer raschen Globalisierung der Unternehmenswelt zu tun. Vor dieser Entwicklung, die vor rund einem Vierteljahrhundert einsetzte, wurden rechtliche Fragestellungen nicht als unternehmerisches Risiko wahrgenommen, sondern bloß als lästige Probleme, die von Zeit zu Zeit auftauchten und von guten Anwälten oder der internen Rechtsabteilung abgearbeitet wurden.

Angesichts der skizzierten Entwicklung müssen nun Rechtsrisiken ganz anders adressiert werden. Größere, aber auch mittelgroße Unternehmen, sollten die neuen rechtlichen Herausforderungen als eine eigentliche Managementaufgabe akzeptieren und zu diesem Zwecke ähnliche Werkzeuge einsetzen, wie sie dies in anderen Kernbereichen der unternehmerischen Tätigkeit tun, zum Beispiel für Strategie, Marketing, Verkauf, Finanzen und Personalwesen. Auch wenn die Unternehmen noch nicht ausreichend über einschlägige Erfahrungen verfügen, müssen sie nun rasch und zielgerichtet entsprechende Kompetenzen entwickeln und geeignete Prozesse aufziehen.

Und das ist genau das, was seit einigen Jahren geschieht. Man kann das an zahlreichen Vorgängen nachverfolgen. Der offensichtlichste ist sicherlich der rasche Aufstieg der General Counsels in die obersten Chefetagen. Bei praktisch allen großen Unternehmen sind in der Zwischenzeit die General Counsels direkt dem CEO unterstellt und gehören normalerweise auch der Geschäftsleitung an. Einen gleichen Trend kann man zunehmend auch für die General Counsels mittelgroßer Unternehmen beobachten und ebenso für die obersten Verantwortlichen im Compliancebereich.

Ein weiteres Zeichen für die dargestellte Entwicklung ist die Tatsache, dass die Unternehmen mehr und mehr Geld für die internen Rechtsabteilungen und externe Beratung ausgeben müssen. Dies ist zwischenzeitlich ein großes Problem geworden, und die Unternehmensführer betreiben immer mehr ein scharfes Kostenmanagement in diesem Bereich und verlangen „Mehr für Weniger“. Zunehmend werden zu diesem Zweck neue Technologien wie vollständige Digitalisierung von Beratungs- und Complianceprozessen, Big Data oder automatische Dokumentenbearbeitung eingesetzt. Verhaltenssteuerungen, die sich aus den Erkenntnissen der Behavioral Economics und der Sozialpsychologie ableiten, kommen zum Einsatz, um das Verhalten der Mitarbeiter in Richtung einer besseren Compliance zu beeinflussen. Die Bearbeitung der rechtlichen Risiken wird in konvergenten Prozessen in das gesamte Management der unternehmerischen Risiken eingebettet und entsprechend gesteuert.

An der Bearbeitung von rechtlichen Risiken sind nun plötzlich nicht nur Juristen beteiligt, sondern viele andere Experten wie Risikomanager, interne Revisoren, forensische Analytiker, Projektmanager und Kommunikationsberater. Im Zuge dieser Entwicklung verschiebt sich der Schwerpunkt der rechtlichen Tätigkeit für Unternehmen zunehmend von den externen Anwälten zu internen Rechtsabteilungen und Compliancefunktionen. Die Leiter dieser internen Abteilungen verstehen sich nicht mehr als bloße Berater, sondern als Manager, die im Team und interdisziplinär mit anderen Managern zusammenarbeiten. Ihre Expertise besteht nicht nur in traditionellen juristischen Fähigkeiten, sondern muss zwangsläufig vertiefte Kenntnisse in Managementtechniken, Führung, Technologien und Verhaltenssteuerung umfassen.

Das vorliegende Buch wendet sich an diese modern ausgerichteten Manager und Managerinnen von Rechtsfunktionen, die ihrer Aufgabe und den ständig steigenden Anforderungen genügen und sich entsprechend weiterbilden wollen. Es behandelt aus verschiedenen Perspektiven die entsprechenden Strategien, Werkzeuge, Prozesse und Techniken. Es liefert einen zentralen Beitrag zum besseren Management von rechtlichen Problemstellungen.

 

 

Vorwort 4: RA Dr. iur. Hans Bollmann

Autor von „Es kommt darauf an!

 

Gleich mehrere Vorworte zum gleichen Text im gleichen Kompendium, das mag auf den ersten Blick etwas außergewöhnlich erscheinen. Auf den zweiten Blick ist es immer noch außergewöhnlich, aber einleuchtend, denn, wie die Herausgeber schreiben, richtet sich das vorliegende Werk an eine sehr vielseitige Leserschaft: nicht nur an Legal und General Counsel, sondern auch an Aufsichtsräte, CEOs, CFOs und weitere Führungskräfte von KMU, Großunternehmen und multinationaler Konzerne sowie an Behörden. Dabei stapeln die Herausgeber noch tief, was an sich sympathisch ist, sie lassen eine weitere Berufsgattung fast außen vor, welcher das vorliegende Werk mindestens auszugsweise sehr zu empfehlen, wenn nicht gar als Pflichtlektüre vorzuschreiben wäre. Gemeint sind die Anwälte – von denen der hier Schreibende einer ist –, genauer diejenigen Anwälte, die mit Rechtsabteilungen zu tun haben (und welche Anwälte haben das nicht oder möchten es nicht?).

Wieso sollten diese Anwälte das vorliegende Kompendium auch lesen, mindestens auszugsweise?

Weil es zum kleinen ABC des Anwalts gehört, das Bedürfnis seines Klienten genau zu kennen und das heißt zu analysieren. Know your Client (KYC) ist die Devise  und das bezieht sich nicht nur auf die unmittelbaren Bedürfnisse des Klienten, sondern insbesondere beim „corporate client“ auch auf dessen Geschäft und dessen Organisation, somit auch auf die Organisation und das Funktionieren seiner Rechtsabteilung, deren Eingliederung in die Governance Struktur und die Schnittstelle mit dem Outside Counsel. Womit wir mitten im Legal Operations Management sind.

Es kann noch einen weiteren Grund geben, weshalb das vorliegende Werk für Outside Counsels, sprich Anwälte, Pflichtlektüre sein kann: Der Fall nämlich, in dem wir, und das heißt sinnvollerweise meist unsere ganze Kanzlei, die gar nicht so seltene und zudem sehr schöne Aufgabe einer, horribile dictu, „outgesourcten“ Rechtsabteilung übertragen erhält. Von einem Klienten, der selber keine solche interne Rechtsabteilung unterhalten kann oder will. Dann erst recht respektive spätestens dann müssen wir als Anwälte uns Gedanken machen, ähnlich denjenigen eines General Counsel, wie die „outgesourcte“ Rechtsabteilung zu organisieren ist, damit sie die Bedürfnisse des „corporate client“ effizient und zweckmäßig erfüllen kann. Das aber sind Probleme, zu denen das vorliegende Werk mehr als nur einige Anregungen enthält.

Vielleicht gibt es noch einen dritten Grund, weshalb Anwälte das vorliegende Werk mit Gewinn lesen, sofern es denn der Nennung noch eines weiteren Grundes bedarf: Die Anwaltskanzleien im DACH-Raum haben in den letzten 20 Jahren in Sachen Organisation und Management nolens volens eine wesentliche Wandlung durchgemacht. Auch und gerade bei Anwälten gilt eben der Gemeinplatz, wonach die eigene persönliche Freiheit an der persönlichen Freiheit des Nachbarn, auch Büronachbarn, seine Grenze findet und dass diese Grenze enger gezogen wird, je mehr „Nachbarn“ einen umgeben. Mit anderen Worten: Wie groß auch immer der Unabhängigkeitswille der einzelnen Anwälte und Partner ist und je größer die Kanzleigemeinschaft wird, desto mehr organisatorische Beschränkungen werden nötig. In den letzten 20 Jahren sind auch im DACH-Raum die Kanzleigrößen weiter angewachsen, mit entsprechenden organisatorischen „Freiheitsbeschränkungen“. Dabei haben wir im DACH-Raum nur (wenn auch in kleinerem Ausmaß) nachvollzogen, was man im angelsächsischen Raum schon länger beobachten konnte. Viele von uns wollten aber die Angelsachsen gar nicht so genau beobachten, weil sie das, was sie sahen, für sich nicht für erstrebenswert hielten. Auch heute noch sträuben sich viele Anwaltskanzleien gegen die Einführung einer klarer definierten Organisation mit der Delegation von Kompetenzen an ein Management. Sie führen eine Art Verzögerungskampf dagegen in dem Sinne, als nur gerade so viel Delegation gestattet wird als unbedingt nötig zur Vermeidung eines Chaos ist. Unter günstigen Umständen, sprich bei wenig Konkurrenz, kann dieser Kampf durchaus auch noch länger geführt werden. Er genießt vermutlich auch mindestens einen geheimen Teil unserer Sympathien. Ansonsten aber hat von Wien über Zürich bis Bremen im DACH-Raum die Erkenntnis Einzug gehalten, dass Legal Operations Management auch in der Anwaltskanzlei nicht nur ein notwendiges Übel, sondern – und das ist die eigentliche Erkenntnis – ein wesentlicher Erfolgsfaktor geworden ist, ceteris paribus.

Die neue Erkenntnis ist insofern eine Wandlung, als wir Anwälte uns vorher doch als eine ganz besondere Spezies angeschaut haben, außerhalb des rein Geschäftlichen. In Sachen geschäftliche Organisation und Management gab es nach alter Überzeugung nicht so viel zu lernen. Eine besondere Spezies sind wir immer noch und dürfen und sollen es auch sein (nebst anderen Spezies, die es zugegebenermaßen auch noch gibt). Aber die gewandelte Spezies Anwalt erkennt heute, dass eine Anwaltskanzlei doch mehr ein Unternehmen als ein Social Club ist und dass – anders als man noch vor 20 Jahren glaubte – die besser geführte Kanzlei mehr Erfolgschancen hat, ungeachtet der Eigenheiten einer Anwaltskanzlei. Zu diesen Eigenheiten zählen unter anderem die Eigentümerstellung der Partner und damit einhergehend der mangelnde Druck von Aktionären auf das Management, die Egalité, das heißt die grundsätzliche Gleichberechtigung der Partner, bei gleichzeitiger starker Betonung der individuellen Freiheit, vielfach auf dem Hintergrund einer Geschichte ähnlich derjenigen eines (Herren-)Clubs, mit wehmütigen Erinnerungen an eine Clubatmosphäre fernab geschäftlicher Zwänge, mit einer wenig effizienzfördernden „hourly-billing“-Kultur.

Für beide, Inhouse und Outside Counsel, ist es gewiss hilfreich, sich über die jeweils andere Verantwortung und Tätigkeit ein paar Gedanken zu machen, im Interesse der zielführenden Zusammenarbeit. In Gesprächen mit Co-Herausgeber, Herrn Christian Dueblin konnten wir ein klares Interesse an den beiderseitigen Rollen, das heißt Aufgaben und Verantwortungen, aber auch Eigenheiten verspüren. Nun befasst sich das vorliegende Werk „fast nur“ mit der Rolle der internen Rechtsabteilung, und es ist nicht die Aufgabe eines Vorworts, das Thema des hier einzuleitenden Werks auszuweiten und neue, eigene Themen einzubringen. Nur auf zwei Themen möchte ich (entsprechend ermuntert) aus Sicht des Anwalts noch hinweisen, weil sie Inhouse und Outside Counsel gleichermaßen herausfordern: Es sind dies die Unabhängigkeit und der Umgang mit dem Risiko.

Auf unsere Unabhängigkeit sind wir Anwälte ganz besonders stolz. Wenn wir als Anwälte Probleme und Lösungen und eben das vorliegende Werk über Legal Operations Management studieren, dann tun wir dies immer im Bewusstsein, dass wir letztlich außerhalb der Organisation des Klienten stehen und hier auch bleiben wollen – stolz, unabhängig und frei. Wie von einer Loge beobachten wir manchmal Kabale und Liebe im Unternehmen des Klienten, froh und dankbar dafür, dass wir weder der echten, noch vermeintlichen Willkür von CEOs unterworfen sind, jedenfalls nicht in gleichem Maße. Wir gehen davon aus, dass uns die weisungsabhängigen Inhouse Counsels dafür manchmal beneiden. Ob sie das tun, bleibe dahingestellt. Viel eher sollten wir selbstkritisch fragen, ob wir uns eigentlich der wahren Bedeutung unserer Unabhängigkeit immer bewusst sind und ob wir selber die Unabhängigkeit auch immer leben. Es ist dies ja auch nicht so einfach und auch nicht immer so angenehm. Wenn wir aber unsere Unabhängigkeit nicht leben, den persönlichen Tatbeweis der eigenen Unabhängigkeit nicht erbringen, dann gibt es diesbezüglich auch nichts, auf das wir uns als Outside Counsel etwas einbilden könnten.

Wir entsinnen uns eines US General Counsels, welcher im Gespräch mit uns Schweizer Local Counsels jeweils von seinem „client“ redete, dem er dies oder das würde beibringen müssen – oder so ähnlich. Wir fanden das jeweils eine eher kokette Ausdrucksweise, weil wir als Anwalt den General Counsel nun mal mit dem Klienten identifizieren. Dabei war es wohl einfach der Versuch des amerikanischen Kollegen, etwas eigene Unabhängigkeit zu markieren. Doch diese Episode liegt schon eine Weile zurück. Heute leben wir in einer Welt, in der die General Counsels an Macht gewonnen haben. Moderner der General Counsel, der uns „Outsiders“ den Rat gab: „Make your client look good!“ Mit „client“ meinte er sich selber. Hüben wie drüben gibt es daher Beispiele falsch verstandener oder nur eingebildeter Unabhängigkeit. Unabhängigkeit eignet sich weniger als vermutet zur Demonstration unterschiedlicher Berufsausübung inhouse und outside, jedenfalls nicht in der Praxis.

Ein größerer Unterschied zwischen Inhouse und Outside Counsel liegt beim Thema „Risiko und Verantwortung für mögliche Folgen aus Risiken“. Anwälte wollen Risiken, vor allem die rechtlichen, möglichst vermeiden. Sie warnen ihre Klienten vor Risiken und raten meist zum risikofreien oder doch mindestens risikofreieren Weg. Ihr Geld verdienen Anwälte mit fehlerfreiem Rat und fehlerfreien Analysen. Das prägt Denken und Habitus und die Kultur einer Anwaltskanzlei. Anwaltskanzleien tendieren zu „Null-Fehler-Kulturen“. „Keine Fehler machen!“ – ist die Parole, und zwar nicht nur im eigentlichen anwaltlichen Arbeitsgebiet. Wer Fehler macht, verstößt gegen diesen Grundsatz. Im Minimum wollen die Anwälte die Risiken definieren und eingrenzen, um dann den Entscheid darüber, das heißt über das Eingehen oder Nichteingehen, dem Klienten zu überlassen. Das ist auch richtig so, denn das wird von ihnen erwartet. Anwälte werden nicht bezahlt für die Risikoübernahme. Anwälte sind zudem im Wesentlichen Stabsleute. Sie sind es weder gewohnt, selber weitreichende Entscheidungen zu treffen, noch tun sie es gern (was sie wiederum allerdings nicht gern zugeben).

Die eben gemachte Beschreibung der Anwälte und ihrer Einstellung zum Risiko trifft aus Sicht mancher Geschäftsleitung mutatis mutandis auch für Inhouse Counsels zu. Auch deren Aufgabe ist es, Risiken zu definieren und aufzuzeigen. Mit anderen Worten: Wie beim Thema „Unabhängigkeit“ ist auch die Einstellung zum Risiko letztlich bei Inhouse und Outside Counsels nicht ganz so verschieden. Wir haben sehr ähnliche Aufgaben und jeweils eine sehr ähnliche oder gleiche Ausbildung und somit „natürliche Auslese“ hinter uns. Der Unterschied zwischen Inhouse und Outside Counsel wäre deshalb gar nicht so groß, wenn nicht doch noch ein entscheidender Unterschied dazu käme: Der Inhouse Counsel erteilt den Auftrag, der Outside Counsel empfängt ihn und führt ihn aus. Daraus ergeben sich bei allen Gemeinsamkeiten doch fundamentale Unterschiede bei den Verantwortlichkeiten.

Als außenstehender Anwalt werde ich durch den Inhouse Counsel teilweise entlastet bei der Problemanalyse; der Inhouse Counsel hat diese vielfach schon gemacht respektive war an dieser Analyse im Rahmen der Geschäftsleitung mitbeteiligt. Verschiedene Akteure (wie zum Beispiel Buchhalter oder die Kommunikationsabteilung) haben ihre Aufträge erhalten und der Auftrag an uns, die Outside Counsels, ist schon einigermaßen klar umrissen und abgegrenzt. Das erleichtert uns die Arbeit (kann sie allerdings auch weniger spannend machen). Weil der Inhouse Counsel Auftraggeber ist, entscheidet er auch, ob er überhaupt einen Auftrag erteilen soll, und hierin liegt oft ein Entscheid über das einzugehende Risiko. Beispiel: Soll die Gesellschaft mit den eigentlich nur terminologisch angepassten AGB des Konzerns arbeiten oder soll sie eigene landestypische erarbeiten? Letzteres wäre ein kostspieliger Auftrag an den Outside Counsel. Lohnt sich der Aufwand oder soll das Risiko in Kauf genommen werden, dass in einem zukünftigen Rechtsstreit sich eine landestypische Besonderheit gegen die Gesellschaft auswirken könnte? Solche Risikoentscheide können nur inhouse getroffen und verantwortet werden – im Rahmen des Legal Operations Management.

 

 

Vorwort 5: Roman P. Falta

Herausgeber Praxishandbuch Legal Operations Management

 

Vor zwanzig Jahren habe ich begonnen, mich intensiv mit der Frage nach den Hintergründen dauerhafter Spitzenleistung von Einzelpersonen und Teams auseinanderzusetzen. Zuerst im Hochleistungssport und in militärischen Elite-Einheiten, in der Folge immer mehr auch im „zivilen“ Umfeld. Dabei standen für mich Fragen im Vordergrund, wie: Weshalb gelingt einigen Individuen und Teams – zumindest von außen betrachtet – fast alles, während andere, egal wie sie sich abmühen, nicht weiterzukommen scheinen? Was sind die Bausteine von Leistungsfähigkeit und Lebenszufriedenheit? Wie ist das Verhältnis zwischen diesen beiden wichtigen und sinnstiftenden Bausteinen ausgestaltet? Können sie von jedermann erlernt werden?

Vor rund zehn Jahren begann ich mich auf dieser Basis immer mehr auch mit Fragen der Optimierung von Professional Service Firms – wie Anwaltskanzleien, Executive Search, Business Consulting etc. – und Professional Services Units – wie Legal, Compliance, Risk, Audit etc. – von Unternehmen und Behörden auseinanderzusetzen. In diesen spielen die vorgenannten Fragen – auf Ebene der Mitarbeitenden – ebenfalls eine wichtige Rolle. Es treten aber noch weitere Fragen hinzu: Wie können wir das Potential, das in unseren Organisationseinheiten schlummert, innert nützlicher Frist entfalten? Wie schaffen wir es, nicht nur unsere Ziele zu erreichen, sondern dauerhaft als Hochleistungsteam über uns hinauszuwachsen? Welche Stellschrauben existieren, um Spitzenleistung im Professional Services-Umfeld zu etablieren und langfristig sowie nachhaltig aufrecht zu erhalten?

Im Laufe der Zeit habe ich in der Wissenschaft und Praxis viele interdisziplinäre Antworten auf diese Fragen gefunden. Ich musste natürlich ab und zu auch Rückschläge erleiden, wenn vermeintlich verheißungsvolle Modelle und Theorien in der Praxis nicht die gewünschten Resultate zeitigten. Mit jeder neuen Erkenntnis ist jedoch nicht nur meine Freude an der intensiven Auseinandersetzung mit der Materie, sondern auch an deren Weitergabe an andere gewachsen. Insbesondere ist mir das Legal Operations Management – wohl auch aufgrund meiner „juristischen Wurzeln“ und meiner eigenen Tätigkeit als Legal Counsel – als Teilbereich der Professional Services Units-Optimierung ans Herz gewachsen und zu einer regelrechten Passion geworden.

Als Christian Dueblin und ich uns über die Möglichkeiten eines Buchprojektes zum Thema Legal Operations Management austauschten, wurde uns rasch klar, dass es sich um ein Themengebiet handelt, das bisher nur von wenigen Fachexperten beleuchtet worden war. Es war uns daher ein Anliegen, unsere eigenen Erfahrungen, aber auch die Erfahrungen weiterer Experten, in ein Praxishandbuch einfließen zu lassen. Das Buch-Konzept stieß rasch auch bei bedeutenden Wirtschaftsführern und anderen erfahrenen Experten in Sachen Legal Operations Management auf Interesse. In der Folge ist aus einer spannenden Projektidee ein umfangreiches Werk entstanden, an dem insgesamt 36 Autorinnen und Autoren aus fünf Ländern und sechs Interviewpartner mitgewirkt haben.

Uns war von Anfang an bewusst, dass ein Werk zu einem solch komplexen Themengebiet, wie es das Legal Operations Management in seiner Gesamtheit darstellt, nur eine begrenzte Anzahl konkreter Lösungsvorschläge für Einzelprobleme bieten kann. Dafür ist die Vielfalt unterschiedlicher Problemstellungen in der Praxis zu groß. Dessen eingedenk war unsere Intention als Herausgeber, eine Inspirationsquelle zu schaffen, die dem Leser Anhaltspunkte und neue Ideen für die Entwicklung eigener kreativer Lösungen an die Hand geben kann. Die Autorinnen und Autoren wurden daher angehalten, sich durch die Niederschrift persönlicher Erfahrungen – sowie in der Praxis wirklich umsetzbarer Theorien und Modelle – an den Praktiker zu wenden: Aus der Praxis, für die Praxis. Aus diesem Grund wurde jeder Autorin/jedem Autor die Freiheit belassen, den Beitragsinhalt frei nach den persönlichen Vorstellungen und gemäß den eigenen Erfahrungen zu gestalten. Auch in den diversen Interviews mit besonders erfahrenen Wirtschaftsführern ging es darum, direkte Erfahrungswerte zum Legal Operations-Umfeld zu erhalten, welche in jahrzehntelanger Berufserfahrung gesammelt wurden. Daraus entstand eine äußerst spannende Vielfalt persönlicher Eindrücke.

Der Zugang zu solch praktischen Informationen gestaltet sich oft schwierig. Sie werden sehr selten in Büchern oder Journals publiziert. Meist bleibt nur der Weg über eigene try and error-Versuche. Manchmal hat man aber Glück und kommt im Rahmen persönlicher Gespräche in deren Genuss, wenn sie zum Beispiel von erfahrenen Seniors – von Aufsichtsräten, Senior Managers, General Counsels – an jüngere Kollegen weitergegeben werden. Als Herausgeber wollten wir solche Erfahrungen einem breiteren Publikum zugänglich machen. Wir wünschen Ihnen daher viele interessante Eindrücke bei der Lektüre dieses Werkes und natürlich viel Erfolg bei der Weiterentwicklung Ihrer eigenen Legal Operations.

Schließlich möchte ich mich bei denjenigen Menschen bedanken, die dieses Buch in der vorliegenden Form überhaupt erst möglich gemacht haben: Mein Dank gilt in erster Linie meinem Co-Herausgeber, Christian Dueblin, der mit seinem breiten fachlichen Know-how als Jurist und Legal Counsel, seinem sprachlichen Gespür und seinen ausgezeichneten Netzwerkfähigkeiten eine echte condition sine qua non dieses Buchprojekts war; ohne seine Unterstützung, sein ehrliches Feedback und seinen unermüdlichen Einsatz wären die vielen Arbeiten rund um das Buchprojekt nicht umsetzbar gewesen. Dann möchte ich mich auch nochmals ganz herzlich bei allen Autorinnen und Autoren für die höchst angenehme Zusammenarbeit und die vielen grundlegenden Einblicke ins Legal Operations Management bedanken, die sie während der Entstehung dieses Werkes mit uns geteilt haben.

Mein Dank gilt auch dem Team des Springerverlags – Dr. Brigitte Reschke, Julia Bieler und Manuela Schwietzer – die mit ihren wichtigen Inputs ebenfalls einen entscheidenden Beitrag zum Gelingen dieses Buchprojekts geleistet haben. Schließlich möchte ich mich auch bei Prof. Dres. h.c. Rolf Dubs und bei Dr. Peter Kurer bedanken, die unserem Buchprojekt von Anfang an wohl gesonnen gegenüberstanden und wichtige Inputs eingebracht haben.

Allen ein herzliches Dankeschön!

 

 

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